Siegburg

19.07.1942

Im regennassen Hof blickt ein Polizeioffizier mit einem Papier in der Hand in Richtung Kamera. Vor ihm stehen sechs oder sieben verfolgte Männer, hinter ihm ein Mann in Zivil – wohl ein Gestapo- oder Kripobeamter. Auf der anderen Seite des Pfahls ist ein Zollbeamter zu erkennen.

Anmerkungen

Siegburg, 19.07.1942
Eduard Feith
Ordnungspolizei

Das Verfolgungsereignis

De­por­ta­ti­on von Sieg­burg nach Minsk, 19.07.1942

Die als Jüdinnen und Juden verfolgten Siegburger:innen mussten ab 1939/40 in einem Zwangshaus in der Brandstraße 42/44 bzw. dann ab 1941 in dem nahe gelegenen Lager in Much leben. Von dort wurden sie unter Federführung der Gestapo Köln in drei Transporten zwischen dem 14. Juni und dem 27. Juli 1942 deportiert.

Der zweite Transport fand am 19. Juli 1942 statt und wurde dem zuständigen Landrat fünf Tage zuvor angekündigt. Um 8 Uhr morgens wurden 23 Siegburger:innen aus der Brandstraße mit einem Lastwagen in die Messehallen in Köln-Deutz gebracht, die als Sammellager genutzt wurden. Bei diesem Transport nach Köln wurden auch Personen aus dem Lager Much und anderen Orten deportiert.

Aus den Messehallen wurden die Siegburger:innen zusammen mit anderen Jüdinnen:Juden aus dem Regierungsbezirk Köln mit dem Transport DA 219 nach Minsk deportiert. Der Transport erfolgte erst per Personenzug und nach einem Umstieg in Waukawysk per Viehwaggons. Während der leere Personenzug nach Breslau geleitet wurde, um weitere Menschen zu verschleppen, erschossen deutsche und lettische SS-Männer im Wald Blahauschtschyna die 1.164 Rheinländer:innen oder ermordeten sie in Gaswagen.

Über die Bild­se­rie

Von der Deportation der Jüdinnen und Juden machte der Kriminalsekretär Franz Schneider mindestens dreizehn Fotos, die als Originalabzüge im Format 6,5 x 9,5 im Stadtarchiv überliefert sind. Die Fotos sind sehr wahrscheinlich Direktabzüge nicht mehr vorhandener Negative im Format 6 x 9, das seinerzeit sehr gebräuchlich war. Es ist nicht auszuschließen, dass der Kriminalpolizist sie mit seiner Dienstkamera aufnahm.

Der erste Teil der Serie zeigt die Durchsuchung und Markierung des Gepäcks im regennassen Hof des Zwangshauses in der Brandstraße. Unter Anleitung eines Zollbeamten durchsuchen jüngere Männer das Gepäck auf einer eigens dafür aufgestellten Tischtennisplatte.

Der zweite Teil der Serie ist auf der Straße aufgenommen und bildet den mühsamen Einstieg in einen Anhänger eines schweren Lastwagen-Zugs ab.

Auf den letzten Fotos der Serie sind auf der Straße auch Zuschauende zu sehen.

Fotograf:in

Franz Schnei­der, Kri­mi­nal-Se­kre­tär

Der 1885 in Overath geborene Franz Schneider war seit 1920 Polizist. 1933 in die NSDAP eingetreten, wurde er 1934 „mit der Wahrnehmung aller kriminalpolizeilichen Aufgaben“ in Siegburg betraut. Laut einer Zeitungsmeldung wurde Schneider am 30. Januar 1938 zum Kriminalsekretär auf einer neu geschaffenen Planstelle befördert. In seinem Entnazifizierungsverfahren argumentierte Schneider trotzdem, dass er „bei der NS-Kreisleitung als Judenfreund“ gegolten habe.

1946 wurde Schneider aus Altersgründen in den Ruhestand versetzt und wenig später im Rahmen seiner Entnazifizierung als „entlastet“ eingestuft.

Überlieferung

Die Fotos wurden im Auftrag der Leiterin des Stadtarchivs Maria Geimer für die Kriegschronik gemacht. In der Chronik ist notiert:
"Bei dem Abtransport der letzten Juden aus Siegburg handelt es sich um die im Judenhause in der Brandstraße 42/44 zusammengefassten Juden, die in drei Gruppen am 14.6., 19.7. und 27.7.42 Siegburg verließen. Sie wurden, wie auch das zugelassene Gepäck, vor dem Abtransport auf Lastwagen einer polizeilichen Überprüfung und Durchsuchung unterzogen. Einige von Kriminal-Sekretär Schneider, Siegburg, aufgenommene Bildaufnahmen zeigen den Abtransport [...] am 19.7.1942. Damit sind alle in Siegburg befindlichen Juden mit Ausnahme der in Mischehe Lebenden (3) entfernt. Das Eigentum der Juden ist auf die Reichsvermögensverwaltung übergegangen und wird von den Finanzämtern verwaltet. Dieses hat auch den Verkauf der zurückgelassenen Sachen und die Vermietung der freigewordenen Wohnungen übernommen.“  

Si­gna­tur bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Sieg­burg 19.07.1942 De­por­ta­ti­on 03

Be­zeich­nung des Bil­des bei der be­sit­zen­den En­ti­tät:

Ohne Ti­tel

Danksagung

Für ihre freundliche Unterstützung danken wir Jan Gerull und Jenny Ley vom Stadtarchiv Siegburg.

Text und Re­cher­che: Chris­toph Kreutz­mül­ler.

Kooperationsverbund #LastSeen.
Bilder der NS-Deportationen

Dr. Alina Bothe
Projektleiterin

c/o Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 34A
14195 Berlin
lastseen@zedat.fu-berlin.de